Mir gehn in die Errwasser - Belle schlae!

von Pfarrer Adalbert Edrich


für die Festschrift der ARGE Pfingstweide anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Pfingstweide 1994
(mit freundlicher Genehmigung der ARGE Pfingstweide)


Das war meine erste Begegnung mit dem Gebiet der heutigen Pfingstweide. Es war im Jahr 1966 vor Fronleichnam.

Seit Ende April dieses Jahres war ich Kaplan in Oppau in der dortigen Pfarrei St. Martin. Und was mir da , ein Tag vor dem Fronleichnamsfest, einige Männer sagten, lautet auf Schriftdeutsch: "Wir gehen in die Irrwasser, Belle schlagen" - übersetzt: "Wir holen Grünzeug, Zweige in der Gemarkung "Pfingstweide", zum Schmuck der Kirche und der Altäre an Fronleichnam.


In der Pfingstweide, der Allmende von Edigheim, gab es größere und kleinere Wassertümpel, die von Hecken, Sträuchern und Bäumen umstanden waren.


Von dort holten die Oppauer Katholiken seit "Urzeiten" Grünzeug für Fronleichnam. (Vielleicht gab es auf dieser Allmende so etwas wie ein Holzrecht für die Oppauer Pfarrei St. Martin.)


Übrigens: Einige der alten Bäume stehen heute noch, z.B. am Brüsseler Ring, links nach der Kreuzung Brüsseler Ring / Budapester Straße / Lissaboner Straße, der Baum hinter dem katho- lischen Pfarrzentrum im Norden und einige alte Bäume bei der Dubliner Straße. Ein großer Tümpel war z.B. dort, wo jetzt die Häuser Berner Weg 32/30/28 stehen, ebenso dort, wo jetzt das katho- lische Pfarrzentrum gebaut ist, speziell unter dem Teil, den jetzt die sogenannte Unterkirche und der Saal darüber einnimmt.

Von Oppau aus fuhr ich in diesen Jahren oft zur Pfingstweide. Hatte mir doch mein Onkel von diesem Dorado seiner Kindheit erzählt, dass sie dort im Sommer zum Schwimmen und Fischen gingen und im Winter zum Schlittschuhlaufen. (seine Eltern hatten seinerzeit das letzte Haus in Mörsch zur Pfingstweide hin gebaut, am Dudelsack.) Ja, sie war schon ein interessantes Gebiet, die Pfingstweide.


1967 begann die Erschließung der Gemarkung Pfingstweide als Baugebiet. Kanäle und Versorgungs-leitungen wurden gelegt, Straßen aufgeschüttet und asphaltiert. Zunächst konnte man sich nicht vorstellen, was aus all dem mal werden sollte:


Mit Rheinkies aufgeschüttete Flächen, die dann asphaltiert wurden und daneben das ursprüngliche Gelände; die Wasserlöcher, umstanden von Bäumen und Hecken, im Süden der Frankenthaler Kanal, dann noch der alte Autobahnzubringer. Nur mit viel Phantasie konnte man sich vorstellen, dass hier einmal der Stadtteil Pfingstweide entstehen sollte.


Als die ersten Fundamentstreifen für die Häuser am Brüsseler Ring betoniert wurden, konnte man mit einem Blick auf die Bebauungspläne erahnen, wie das künftige Wohngebiet "Pfingstweide" einmal aussehen wird. Faszinierend für mich war es, mit anzusehen, wie die so genannten Punkt- und Kettenhochhäuser in den Himmel wuchsen; so etwas hatte ich noch nie gesehen und miterlebt. Wenn ich mal einige Tage die Pfingstweide nicht gesehen hatte, war ein war ein neungeschossiges Punkthochhaus hochgezogen, wo man kurz vorher nur ein ausgebautes Kellergeschoß gesehen hatte.


Im April 1969 berief mich der Bischof von Speyer, Friedrich Wetter, der heutige Kardinal und Erz- bischof von München und Freising, zum Kuraten für die neu zu errichtende Pfarrei. (Unsere Kirche hat zuweilen schon recht seltsame Titel und Bezeichnungen! Ließ nicht das Wort "Kurat" den Schluss zu, dass dies eben etwas mit "Pfingstweide" zu tun haben könnte, etwa in der richtung, dass ich dort als Kuh-Rat fungieren sollte ? !)


Mitte November 1969 schließlich zogen die ersten Familien in das Kettenhochhaus am Brüsseler Ring ein. Ich bezog Ende November meine Wohnung im Brüsseler Ring 13 und am 2. Januar 1970 folgten meine Eltern. Im Mai 1970 konnten wir im Provisorium am Madrider Weg 7, einem Zipfel des Schulgeländes, zum ersten Mal Eucharistie feiern. In der ersten Zeit war hier auch die evangelische Gemeinde der Pfingstweide zu Gast bei ihren Sonntagsgottesdiensten. Unter gleichem Dach war auch eine Kindergartengruppe untergebracht. - In der Pionierzeit ist eben vieles möglich, was die Bürokraten staatliche rund kirchlicher Provenienz nicht für möglich halten, weil sie eben in vorderster Linie noch nie zu kämpfen hatten! Oberbaurat Zink vom Koordinierungsausschuss "Pfingstweide" bei der Stadtverwaltung prohezeite damals über das Prvisorium: "Provisorien haben es in sich, dass sie keine Provisorien sind". Und siehe da: Es steht heute noch und beherbergt den Waldorfkindergarten !


In der Zwischenzeit ging die Planung für unser Pfarrzentrum mit Kindergarten, Außenstelle der Kath. Familienbildungsstätte, Pfarrheim und Kirche zügig voran. Bischof Wetter hatte mir empfohlen, Städte mit ähnlichen Wohngebieten, Trabantensiedlungen wie die Pfingstweide zu besuchen. Er ließ mich in der Nordweststadt in Frankfurt, in der Vogelstang Mannheim und in einem Neubaugebiet in Wiesbaden bei den dortigen Pfarreien anmelden, die ich zur Aussprache besuchte. In Erinnerung ist mir noch die Aussage des Kollegen in Frankfurt: "Wenn in einem Gebiet wie in der Nordweststadt nur eine Kirche gebaut wird, ohne dazu gehöriges Pfarrheim, mit vielen verschiedenen Räumen, ist es um die Seelsorge schlecht bestellt." So gingen wir mit viel Mut und Gottvertrauen an den Bau des Pfarrzentrums; wir widersetzten uns kirchlichen und staatlichen Direktiven, die uns die Teilunterkellerung von Kindergarten und Pfarrheim verbieten wollten und haben später festgestellt, wie richtig wir damals lagen:


Wir hatten Räume, eine Begegnungsstätte für die verschiedenen Gruppierungen der Gemeinde; für die Kolpingsfamilie, die Pfadfinder, andere Jugendgruppen, Ministranten, Frauengemeinschaft, Kirchenchor, Räume für den Kommunions- und Firmunterricht, Räume in denen viele Gruppierungen und Gemeinschaften der Pfingstweide Gastrecht hatten.


Mein Mörscher Onkel - er ist längst in die Ewigkeit Gottes heimgegangen - hatte uns nur einen Besuch in der Pfingstweide abgestattet. Beim Abschied sagte er damals: "Adalbert, ich komme nicht mehr hierher; was ich jetzt gesehen habe, in diesem Häuser- und Straßengewirr, hat mir ein Stück Erinnerung an meine Kindheit und Jugend geraubt, hat mir ein Stück meiner Heimat genommen."


Was für viele, die die Pfingstweide nur von außen sehen, sehr schwer verständlich ist:


Dieses Wohngebiet ist für viele von uns zur Heimat geworden; wir haben hier nicht nur in guten und schönen Wohnungen gewohnt, sondern wir waren und sind hier zu Hause !


Ich wünsche der Pfingstweide und Ihren Bewohnern alles Gute und erbitte für alle Gottes Segen.

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