Gedanken zum Mai
Der Monat Mai gilt als der Frühlingsmonat schlechthin. Oft wird er als Wonnemonat bezeichnet, ein Wort, das jungen Menschen oft gar nicht mehr geläufig ist, das aber all das in sich trägt, was wir an Gutem und Schönem mit diesem Monat verbinden.
Die Bäume schlagen zwar heute oft schon früher aus als von E. Geibel besungen, aber der Mai steht noch immer für das Erwachen der Natur, für einen Neubeginn, der Hoffnung schenkt.
Die Poesie weiß dies in wunderbaren Worten und Bildern zu beschreiben. Da wird der Mai richtiggehend personifiziert. Da geht er ´auf Blütensohlen´, da trägt er ein ´grünes Hoffnungskleid´, da dringt er mit ´tausend Stimmen aus dem Gesträuch´, da will sein Blühen gar nicht enden.
Der Mai weckt Assoziationen: Bei der arbeitenden Bevölkerung vielleicht an den 1. Mai, den Feiertag, der sich `Tag der Arbeit´ nennt, auch wenn man glücklicherweise nicht arbeiten muss; bei Familien an Mutter- und Vatertag, der mit einer Profanierung des christlichen Feiertags von ´Christi Himmelfahrt´ verbunden ist, bei Kindern vielleicht an Maikäfer, die Kinder früher sammelten, aber nicht immer – wie Max und Moritz – unter Onkel Fritzens Decke versteckten.
Trotzdem hat W. Busch Recht, wenn er sagt: `Hin und her und rundherum fliegt und kriecht es mit Gebrumm´: Bienen, Hummeln und eben Käfer. In einem sehr alten Volkslied heißt es sogar, dass der Maikäfer fortfliegen soll, fort von Krieg und Zerstörung (´Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg…´)
Aber auch die Vögel erheben sich in die Lüfte – so wie die Lerche - und erfüllen sie mit ihrem Gesang. Morgens erwecken sie uns mit ihrem Gezwitscher und des Nachts, wenn alles schweiget, locken Nachtigallen mit süßen Melodien….´
Damit locken sie dann nicht nur den Menschen Tränen ins Auge, sondern auch die Weibchen an. Spötter sprechen deshalb von ´Damenwahl nach Mitternacht.´
Die Menschen tun es den Vögeln gleich und singen in ihrer eigenen Sprache. Noch immer singen viele auch das Lob des Schöpfers in der Kirche sowie in der Natur. Sie singen dem Herrn ein neues Lied. Besonders aufgefordert werden sie dazu am Sonntag ´Kantate´.
Jubel über die Schöpfung klingt aber auch schon am vorausgehenden Sonntag ´Jubilate´ an.
Nach ´Kantate´ wird das Singen dann am darauf folgenden Sonntag ´Rogate´ durch das Gebet ergänzt.
An Christi Himmelfahrt wird so manches Gemeindefest im Freien gefeiert und so etwa jedes zweite Jahr kommt auch noch das Pfingstfest (zwischen dem 10.05. Und 13.06.) dazu.
Kirchliches und weltliches Brauchtum fließen oft ineinander. Manche machen sich zu einer Wallfahrt auf, andere tanzen um den Maibaum oder stellen Maibäume, d.h. junge Birken, vor die Haustüren.
Ein Maler möchte man sein, um die bunten Blumenteppiche in ihrer Farbenpracht festzuhalten.
Aber nicht nur Auge und Ohr spricht der Mai an. Er lässt auch den süßen Duft der Blüten und Blumen in die Nase aufsteigen. Vor allem die zarten Maiglöckchen verströmen einen betörenden Duft.
Der Mai nimmt alle Sinne gefangen, so ´tobt der Frühling im Blute´ und in manchem Herzen geht mit den aufspringenden Knospen auch die Liebe auf.
So jedenfalls sehen es die Dichter – und das schon seit den Zeiten der Römer, die unserem Mai seinen Namen gaben, denn er ist nach der römischen Göttin Maja (Göttin des Wachstums) benannt. Zusammen mit dem folgenden Monat Juni (nach der Göttin Juno) ist er weiblich (und verführerisch?), wohingegen alle anderen Monate männlich sind.
Die Wonnen des Monats Mai, von so vielen Dichtern besungen, scheinen etwas aus der Mode gekommen zu sein und mit ihnen die Dichter, die im 18. und 19. Jahrhundert eine poetische Bilderwelt zum Leben erweckten. War die Freude über den Frühling zu ihrer Zeit größer?
Vielleicht. Die Winter waren für die Menschen damals jedenfalls härter und anstrengender, ohne die Bequemlichkeiten, die für uns selbstverständlich geworden sind. Mit der Kälte aber wächst die Sehnsucht nach Sonne und Wärme, nach allem, was der Frühling verkörpert.
Die Freude, dass der Mai ´alles neu´ macht, ist auch heute noch groß. Der Mai ist ein Hoffnungsträger für Jung und Alt geblieben, ein Hoffnungsträger für einen Neubeginn, auch wenn sich die Aufbruchsstimmung nicht mehr in der Sprache der romantischen Dichter mitteilt.
Ursula Päßler
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