Dellen


Diese Tomate sah heute Morgen auch noch besser aus. Ich betrachte das Gemüse, das ich gerade aus dem Kühlschrank geholt habe. Ich habe die Tomaten anders in Erinnerung.

Im Supermarkt sahen sie noch besser aus. Die Tomaten waren frisch und rund. Saftig rot. Aber jetzt?

Jetzt sehe ich kleine Dellen und so schön rund und prall sind sie auch nicht.

Warum sieht das Gemüse im Supermarkt immer besser aus als daheim? Haben die da einen Trick im Supermarkt? Liegt das am Licht?

Haben Sie sich das auch schon mal gefragt? Geht es Ihnen vielleicht auch so wie mir?

Manchmal fühle ich mich auch wie so eine Tomate. Draußen will ich auch gut aussehen. Ich will, dass die Leute mich mögen. Dass sie meinen, ich sei gesund und stark. Ich will mich eben auch gut verkaufen.

Ich vermute mal, das geht nicht nur mir so. Im Büro, auf der Baustelle, egal. Es ist doch wichtig, was die Anderen von uns halten. Da möchten wir uns doch keine Blöße geben.

Was für ein Glück, dass ich mich vor Gott nicht gut verkaufen muss. Und auch nicht „auf hübschen“.

Würde ja auch nichts bringen. Gott sieht meine Faulheit. Er weiß, dass ich manchmal richtig zornig werde, dass ich oft ungeduldig bin.

Trotzdem lässt er mich nicht los. Er gibt mir die Kraft, mich zu entschuldigen, wenn ich ungerecht war. Er lässt mich immer wieder auf andere Menschen zugehen – wenn mein Zorn verraucht ist.

Er nimmt mich trotz meinen Fehlern so an wie ich bin. Mit Runzeln und Falten. Nicht mehr taufrisch. Aber immer noch zu gebrauchen.

Daran denke ich, wenn ich die Tomate in der Hand halte.

Bevor ich anfange, mich zu ärgern, weil ich die Dellen nicht früher gesehen habe. Ich denke daran, dass auch ich Dellen habe und Gott mich trotzdem nicht wegwirft.

Ich muss dann ein wenig lächeln. Eine Tomate möchte ich dann doch nicht sein. Nicht einmal in Gottes Augen.

Also nehme ich die Tomate sage zu ihr: „Du kommst in die Suppe!“ In der Pfalz ist das ein Kompliment!


Pfarrer Dr. Paul Metzger


[zurück]


lebendig, vielfältig, gut informiert - Pfingstweide.de