Was ich schon immer wissen wollte...:

Jesus und seine Brüder


In der römisch-katholischen Lehre ist klar, dass Jesus keine leiblichen Geschwister hat. Laut den Mariendogmen des 19. und 20. Jahrhunderts blieb Maria auch nach der Geburt Jesu eine Jungfrau im biologischen Sinn und hatte mit Josef keinen Verkehr, sodass sie auch keine weiteren Kinder mehr empfangen konnte. Dem widerspricht die biblische Überlieferung, wonach Jesus Brüder gehabt haben soll. Die katholische Theologie erklärt dies mit dem Hinweis, dies seien keine leiblichen Geschwister, sondern Kinder Josefs, die dieser mit in die Ehe mit Maria gebracht haben soll.


Josef wird nach den Überlieferungen von Evangelien, die nicht in der Bibel stehen („apokryphe“ Evangelien), als alter Mann dargestellt, der an Maria gar kein sexuelles Interesse gehabt haben soll. Dies widerspricht wiederum den Weihnachtsgeschichten der Evangelien, die große Mühe darauf verwenden, zu erzählen, warum Josef seine Frau Maria trotz deren ungeklärter Schwangerschaft bei sich behält und nicht verstößt, obwohl er dazu das Recht gehabt hätte. Dies zeigt, dass Josef doch nicht so alt war, dass er gar kein Interesse an Maria gehabt haben kann.


Entscheidend für die Frage, ob Jesus Geschwister hatte, ist eine kleine Erzählung im Markusevangelium, die von Lukas und Matthäus übernommen und demnach akzeptiert wurde. In Mk 3,31-35 wird erzählt, dass Maria und die Brüder Jesu diesen sprechen wollten. Sie sind Jesus nachgefolgt, weil sie glaubten, dass er verrückt sei (Mk 3,21).


Ohne historischen Anhalt wäre ein solches Anliegen nicht überliefert worden, weil damit Maria und die Familie Jesu in ein schlechtes Licht gerückt werden. Die Geschichte will sagen, dass die Familie, auf die es ankommt, die Glaubensfamilie ist. Deshalb sagt Jesus, dass derjenige Bruder oder Schwester ist, der den Willen Gottes tut. Weil die Geschichte kein eigenes Interesse an den Geschwistern hat, besteht kein Anlass der Information zu misstrauen, wonach Jesus Brüder hatte. Wenn die Weihnachtsgeschichten dazu gezählt werden, ist wahrscheinlich, dass Jesus das älteste Kind von Maria war und die anderen Kinder jüngere Geschwister Jesu.


Namentlich bekannt sind nach Mk 6,3 Jakobus, Joses, Judas und Simon und weitere Schwestern. Wichtig für die Geschichte des Urchristentums wird vor allem Jakobus als Leiter der Urgemeinde in Jerusalem, den Paulus laut Gal 1,9 während seines dortigen Aufenthalts trifft.


Es kann daher insgesamt als historisch gesichert gelten, dass Jesus leibliche Geschwister hatte. Die katholische Lehrtradition will durch ihre Betonung der (bleibenden!) Jungfräulichkeit Marias zeigen, dass Jesus auf jeden Fall Gottes Sohn und frei von menschlicher Herkunft war. Ihr Interesse ist nicht historisch, sondern theologisch.


Pfr. Dr. Paul Metzger


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